Fünf Jahre Corona
Vorab: Das Thema hätte natürlich mehr als den ein oder anderen Magazin-Beitrag verdient gehabt. Ich hätte auch gerne etwas Längeres dazu gemacht. So war auch die Idee im Oktober 2024, und der entsprechende Vorschlag ging an meine Redaktion, die „Fünf Jahre Corona“ auch spannend fand.
Dann kamen die Nachrichten der geplatzten Ampel-Koalition, der Neuwahlen und von Trumps zweiter Amtszeit. Eine Welt voller Themen hatte noch mehr Themen. Womit sollen wir uns beschäftigen, was ist wichtig?
Wir haben „Fünf Jahre Corona“ heruntergebrochen in einzelne Aspekte. Hier die bisherigen Beiträge:

5 Jahre Corona – wie uns die Pandemie immer noch beschäftigt
Es ging erst einmal um die Verlierer der Pandemie. Zwei persönliche Schicksale. In einem Fall mit beinahe tödliche Ausgang, im anderen verbunden mit einem wirtschaftlichen Abstieg.
Dann das große Ganze. Denn ökonomisch sind wir alle Verlierer dieser Pandemie. Was mir nicht bewußt war, Corona hat die größte Wirtschaftskrise der letzten Jahrzehnte ausgelöst. Auch aus diesem Grund lohnt es sich, die politischen Fehlentscheidungen nochmal zu analysieren.
Beispiel: Die massenhafte Bestellung von Impfdosen. Wir haben die aktuellen Zahlen im Bundesgesundheitsministerium abgefragt: Über 600 Millionen wurden – für teilweise hohe Summen – bestellt. Nur ein Drittel, knapp 200 Millionen wurden tatsächlich verimpft. Noch mehr wurden jedoch inzwischen vernichtet: Bis heute 213 Millionen Impfdosen.
Ist das gut gelaufen? Wohl kaum, wir haben zu viel bestellt und mussten zu viel wieder wegwerfen. Die Kritik trifft beide verantwortlichen Gesundheitsminister, Spahn und Lauterbach. Ist deswegen das Interesse an einer Aufarbeitung so gering, weil CDU und SPD sich rechtfertigen müssten ?
Leider sind wir für die nächste Pandemie auch nicht gut gerüstet. Eine Aufarbeitung wäre wichtig.

Die Masken-Story I
Bei der Recherche rieb ich mir die Augen: Am Anfang der Corona-Pandemie 2020 wollte sich die deutsche Politik unabhängig von der asiatischen Maskenproduktion machen und investierte ein Förderprogramm von 90 Millionen Euro, um eine nationale Versorgung aufzubauen.
Die Gelder waren nur ein Teil, um eine deutsche Maskenproduktion zu etablieren. Firmen, die sich darauf einließen, mussten rund 2/3 der entstehenden Kosten aus eigenen Mitteln zusätzlich aufbringen. Rund 100 Unternehmen gingen das Risiko ein.
Die meisten fühlen sich heute hintergangen. Denn die öffentlichen Aufträge blieben schlicht aus, als China wieder den europäischen Markt mit billigen Masken flutete. Die deutschen Firmen sind großteils vom Markt verschwunden.
Doch nicht nur 90 Millionen Euro Steuergeld waren so beim Fenster hinaus geworfen worden. Genauso wie bei den Impfdosen wurden auch ohne Kontrolle Masken bestellt – auf allen möglichen Kanälen. So hatte das Bundesministerium der Gesundheit am Ende des Tages 5,7 Milliarden Masken für 5,9 Milliarden Euro gekauft. Aber nur 1,7 Milliarden Masken wurden verteilt. Ob genutzt oder nicht, weiß auch niemand.
Die Übersicht war anscheinend im März und April komplett verloren gegangen. Doch hunderte Millionen Masken wurden auch noch danach bis in den Juli hinein bestellt. Milliarden Masken wurden und werden weiter vernichtet. Weil ihr Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist, werden sie in Müllverbrennungsanlagen verbrannt.
Die Verantwortlichen verweisen auf die besondere Notlage. Der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn würde wieder so handeln, sagt er öffentlich. Und sein Nachfolger Karl Lauterbach klärt das Desaster nicht auf, obwohl er das versprochen hatte.
Doch die Aufarbeitung ist unabdingbar: Auch die Hintergründe der Masken-Deals müssen geklärt werden.

Die Masken-Story II
In dem dritten Film zu „Fünf Jahre Corona“ beschäftigte ich mich mit den bis heute nicht ausgezahlten Maskenlieferanten und die daraus resultierenden Milliardenkosten für den Steuerzahler. Dass 2,3 Milliarden Euro Kosten durch laufende Prozesse drohen, ist schon bekannt, dass jeden Tag rund eine Million Verzugszinsen hinzukommen, ist eine Nachricht, die wir mit unserem Beitrag verbreiten.
Meist sind es mittelständische Unternehmen, die bis heute auf ihr Geld warten und die zum Teil das Vertrauen in diesen Staat verloren haben.
Anhand von vertraulichen Listen können wir genau nachvollziehen, zu welchem Zeitpunkt dem Gesundheitsministerium die übermäßige Maskenbeschaffung aus dem Ruder gelaufen ist. Spätestens mit dem Open-House-Verfahren am Anfang der Pandemie hätte Minister Spahn merken müssen, dass es global ausreichend Maskenangebote gab. Damals hätte er die Reißleine ziehen müssen. Experten sagen Anfang April 2020. Stattdessen wurden weltweit Milliarden Masken bis in den Juli hinein gekauft und Milliarden Steuergelder zum Fenster hinausgeworfen.
Wir zeigen anhand der Deals mit der Schweizer Firma Emix, welche Personen deshalb zu Millionären wurden. Am 24. April schloß das Ministerium für Gesundheit noch einen Direktvertrag mit den Gründern der Firma über 67 Millionen FFP-2-Masken. Damals waren bereits weit über vier Milliarden Masken bestellt, gebraucht wurden letztlich in der Bundesrepublik insgesamt nur 1,7 Milliarden. Der Durchschnittspreis beim Geschäft mit Emix war 5 Euro 60 pro Maske. Schätzungsweise hat die Firma Emix also allein mit diesem Vertrag rund 370 Millionen Euro kassiert.
Völlig überteuert zu diesem Zeitpunkt, erklärt uns Paula Piechotta von den Grünen.
Doch an dem damals Verantwortlichen prallt bis heute jede Kritik ab. Auf die Fragen, ob er wieder so handeln würde, sagt Jens Spahn in einem Interview: „Vermutlich: Ja!“

Bundestagswahl
Die Befürchtungen haben sich erfüllt: Der Osten ist nach der Wahl fast flächendeckend blau. Da wir diese Sorge schon vorab hatten, wollten wir dokumentieren, wie sich die stärkste Kraft gegen die AfD schlägt: Die CDU.
In Thüringen stoßen wir darauf, dass die Brandmauer gegen die AfD nicht von allen geteilt wird. In der Provinz steht sie oft nicht mehr.
In Dresden sind wir dabei, wie die beiden Direktmandate verloren werden und an die AfD gehen. In ganz Sachsen kann sich kein einziger CDU-Kandidat gegen die jeweiligen AfD-Kontrahenten durchsetzen. Einzig in Leipzig bleibt ein roter Fleck.
Die Ministerpräsidenten Voigt und Kretschmer wirken bei unseren Interviews einen Tag nach der Wahl zerknirscht. Der sächsische Landesvater sieht den Osten allgemein als „Seismografen“ für die Entwicklung nach rechts.
Wir fragen bei dem Politikwissenschaftler Oliver Lemcke nach. Er bezweifelt das Narrativ, dass der Osten sich mit dem wirtschaftlichen Aufstieg dem Westen annähere. „Der Osten wird nicht westlicher, der Westen aber östlicher.“
Tatsächlich hat die AfD nicht nur den Osten erobert. Auch in den westlichen Ländern gewinnt sie erheblich hinzu. Gelsenkirchen und Kaiserslautern stehen für den neuen Trend – tief im Westen.

Hasskommentare im Netz:
Wie Engagierte zur Zielscheibe werden
Mehrere Monate habe ich mich mit Bedrohungen gegen Umweltaktivisten im Netz befasst. Mein Interesse galt bei diesem Beitrag der Frage, wer steht hinter diesem Hass.
Exemplarisch war zunächst ein Post mit Patronen, der sich gegen den Chef der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, wandte: „Geht ins Ohr, bleibt im Kopf – Heckler und Koch“. Veröffentlicht auf einer Facebook-Seite, die Resch regelmäßig angreift.
Irgendwann wissen wir, wer das gepostet hat. Wir wollen den Mann zu seiner Äußerung befragen. Reden will er nicht mit uns. Als wir bei ihm klingeln, bleibt er versteckt hinter seiner Wohnungstür.
Er ist nicht der Einzige, der die öffentliche Diskussion vergiftet. Derjenige, der diesen Patronen-Post mit dem Kommentar „Klimadiktator“ kommentierte, heißt Michael Wölfer. Er gibt uns ein Interview. Als Erklärung sagt er zunächst, dass er sich an den Post nicht erinnere. Dann erklärt er, dass er in dem Post keine Drohung sehen.
Schließlich räumt er ein, dass sein Kommentar direkt unter den Patronen steht: „So ist es bedauerlich, richtig, das stimmt. Dass ich da nur direkt darunter stehe, das ist leider passiert….Ich schimpfe mal und ich sage auch mal, ins Arbeitslager nach Sibirien. Was ja eh´ nicht geht. Oder in den Steinbruch zum Arbeiten.“ Trotzdem geht Wölfer gegen unsere Berichterstattung mit einem Rechtsanwalt vor. Ausgang ungewiß.
Ein notorischer Verbreiter von Hass ist Marc B. aus Bremerhaven. Auf unsere Konfrontation reagiert er typisch: Erst Leugnung, dann Relativierung, schließlich Bedrohung.
Drei Täter – ein Problem: Hasskriminalität hat in den letzten Jahren extrem zugenommen. Tendenz weiter steigend. Dieser Hass vergiftet den öffentlichen Diskurs, untergräbt eine offene Gesellschaft, verstärkt Radikalismus.

„Wir kommen und überschütten Euch mit Diesel.“
Hass gegen engagierte
Klimaaktivisten
Wie Gewalt Politiker treffen kann, haben wir im Februar 2024 im politischen ARD-Magazin FAKT dokumentiert. Doch Bedrohungen können jeden treffen. Besonders engagierte Menschen. Wie sehr Aktivisten gefährdet sind, die sich für das Klima engagieren, also Personen, die sich für eine bessere Welt einsetzen, zu Hassobjekten zu werden, war mir bis letztes Jahr nicht bewusst.
Bis ich Jürgen Resch kennenlernte, den Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Er erzählte mir, wie er seit Jahren mit Hetze konfrontiert ist. Beim Dreh liest er Beispiele vor: „Dieses Schwein Jürgen Resch wird in Kürze sterben. Sucht euch schon mal einen Nachfolger. Der kann dann aufräumen, wenn euer Haus abgebrannt ist. Ihr elenden Drecksäcke mit den bekifften Weibern. Wir kommen und überschütten euch mit Diesel.“
Besonders aktiv: Auf dem sogenannten sozialen Medium Facebook hat sich vor Jahren die Gruppe „Stoppt die Deutsche Umwelthilfe“ gegründet. Sie zählt derzeit mehr als 50.000 Mitglieder. Eine Plattform für überzeugte Autofahrer. Aber es geht noch viel weiter. Hier finden wir von Gewaltfantasien bis zu Mordaufrufen. Extreme Positionen gegen die DUH und Resch. Das zeigt unser Film.
Auch Katja Diehl hat es 2023 erwischt. Bei Anne Will vertrat die Autorin ihre Positionen für eine Mobilitätswende. Quasi zeitgleich brach ein Shitstorm über sie herein: Wüste sexistische Beschimpfungen, Aufforderungen zum Suizid und auch Todesdrohungen.
Diehl hat 50 Strafanzeigen gestellt – nur in zwei Fällen mit Konsequenzen für die Hater. Die Kritik der Betroffenen: Polizei und Staatsanwaltschaften nehmen das Thema offenbar nicht ernst genug oder verstehen gar nichts davon.
Resch will Meta jetzt rechtlich zwingen, solche Hetz-Gruppen wie „Stoppt die DUH“ zu schließen. Diehl und Resch – zwei Beispiel, dass es viel zu tun gibt. Sie sind Beispiele der Spaltung unserer Gesellschaft, die immer extremere Formen anzunehmen scheint.
Was mir mit dem Thema auch deutlich geworden ist: Die „sozialen Medien“ sind gar nicht (mehr) sozial. Anstatt etwas gegen Hass und Hetze zu unternehmen, verdienen sie genau damit ihr Geld. Wie die Algorithmen funktionieren, die dieses Klima fördern, weiß die Öffentlichkeit nicht, weil Facebook und Co. nicht transparent sind. Unsere Anfragen dazu wurden nicht beantwortet. Meine Meinung: Da muss sich dringend etwas ändern.
Ein Thema, dem ich weiter nachgehen werde.

Montagsdemos nach den Wahlen
Die AfD und der BSW sind als Sieger aus den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen am 1. September hervorgegangen. Wir wollten wissen, wie das bei denen ankommt, die immer noch an jedem Montag demonstrieren. Seit Corona. Wir drehen in Bautzen und Gera.
In Thüringen hätte es fast 50 Orte gegeben, in denen an diesem Montag demonstriert wurde und wo wir hätten drehen können. In Gera sind es gut 300 Menschen. Rechte bis Rechtsextreme. Viele junge Leute.
Vor dem Theater treffen sie auf Gegendemonstranten, die mit ihrer Kundgebung diesen Platz besetzt haben, damit die Montagsdemonstranten hier keine Abschlusskundgebung abhalten können. Ein Erfolg in Gera, wo seit Corona jeden Montag demonstriert wird.
Heute feiern die Montagsmarschierer den Wahlsieg von Björn Höcke. Gekommen ist auch der Landtagsabgeordnete Wolfgang Lauerwald, der seinen Wahlkreis wieder für die AfD gewonnen hat. Zu dem bundesweit bekannten Anmelder und Rechtsextremisten, Christian Klar, pflegt er gute Beziehungen. Die AfD hat kein Problem mit solchen Leuten gemeinsame Sache zu machen.
Hier – wie auch in Bautzen – wird deutlich, wie sich die AfD mit diesen Montagsdemos solidarisiert. Die Wähler scheint das nicht zu stören: Landesweit erreicht die Partei 33 % und ist nun stärkste Fraktion im Landtag.

Wahlkampf in Sachsen: Kretschmer gegen die AfD
Am 1. September hat Sachsen und Thüringen den neuen Landtag gewählt. In Sachsen waren die Umfragen klar: Es wird ein Zweikampf zwischen der CDU und der AfD. Und genauer gesagt: Zwischen dem amtierenden Ministerpräsidenten Michael Kretschmer und der AfD.
Kretschmer ist der aktivste Wahlkämpfer. Wir haben ihn dabei begleitet.
Bis zu acht Termine hat der Ministerpräsident vor Ort jeden Tag seit Mitte Juli. Er grillt Würstchen, trinkt Bier, schüttelt Hände. Unermüdlich. Und er hört jedem erst mal zu – egal, wer sich an ihn wendet. Wenn der Blödsinn zu schlimm wird, zeigt er klare Kante. Das konnten wir in Zwickau dokumentierten.
Doch es bleibt ein Kopf–an-Kopf-Rennen. Kretschmer bringt es uns gegenüber so auf den Punkt: „Es ist extrem schwierig, was jetzt gerade in Sachsen passiert. Die Menschen haben hier wirklich ihr Schicksal in der Hand. Nur ein Land, das stabile Regierung hat, kann Zukunftsaufgaben lösen. Es gibt nur die Frage, ist die AfD die stärkste Kraft oder die CDU.
Jetzt liegt das Ergebnis vor: Kretschmer hat es nochmal knapp vor der AfD geschafft. Jetzt stehen schwere Koalitions-Verhandlungen bevor.